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Herr Guido Busch zur Montessori-Diplom-Feier 2006

Meine Damen und Herren, liebe Kinder! Liebe Montis!

Wir haben gut getrunken und gespeist, haben wunderbare Urkunden in der Hand - und welche, die ausnahmsweise mal nicht unser Versagen auf sportlicher Ebene dokumentieren, so wie früher immer bei den Bundesjugendspielen.
Aber....wir müssen doch jetzt zum Abschluss noch mal ein paar ernsthafte Dinge ansprechen.

Es gibt viele verschiedene Pädagogiken in der Welt: Die Freinet-Pädagogik, Walldorf-Pädagogik, Schwarze Pädagogik, Montessori-Pädagogik usw.
Aber wie bezeichnen sich die Anhänger der jeweiligen Pädagogik? Kennen Sie einen Freineianer? Oder einen Walldorfianer?
Wir auch nicht!
Aber wir - wir sind Montessorianer! MONTIS !!
Damit haben wir die gleiche Stufe erreicht wie Vulkanier, Talaxianer, Klingonen und wer sonst noch so durch den Kosmos kreucht und fleucht. Daher auch der Begriff ¨kosmische Erziehung¨.

Auch sind unsere Namen jetzt anders: Vor zwei Jahren fragte ich einen Bekannten, der auch diese Ausbildung machte, wie es denn um sein Montessori-Diplom stünde. Er antwortete: Ich heiße jetzt Maria!
Ja, Maria Montessori gehört nun zu unserem Leben. In diesem tief katholischen Landstrich entspricht dieser Abend einem hohen kirchlichen Feiertag: Maria Empfängnis.
Auch in meinem Personalausweis steht ab morgen: Guido Maria Busch. Uns allen geht es so: Petra Maria Wild, Monika Maria Brunne-Herholz, Jutta Maria Starmans...
Was gut ist - das muss gesagt werden - wir sind nicht allein! Es gibt viele berühmte Montis: Klaus Maria Brandauer, Karl Maria von Weber, Rainer Maria Rilke...

Noch etwas ist uns zu Eigen geworden: Das Kürzel MM für Maria Montessori haben wir so verinnerlicht, dass es bei vielen von uns aus dem Wortschatz nicht mehr wegzudenken ist. Einige suchen sich sogar ihre kompletten Namensinitialen danach aus:
MMMonika MMMeuter zum Beispiel. Wir trinken nur noch MM Sekt, einige essen nur noch m&ms ....dieses mmmm, es gibt welche, die setzen das mmm hinter jeden Satz, in verschiedenen Tonlagen!

Ja, was waren das für zwei Jahre! Es fing ja auch so schön an.
Es war doch ein Erlebnis, nach vielen Jahren, bei einigen nach Jahrzehnten, mal wieder in einem Kinderhaus gewesen zu sein. Stundenlang zu sitzen auf diesen süßen kleinen Stühlen- mit den Knien an der Nase. Und das auch auf der Toilette. Das sind völlig neue Verdauungserlebnisse! Und das Händewaschen danach - dieser Ausfallschritt, um an das Waschbecken zu kommen. Wer dann auch noch in den Spiegel gucken möchte...

Noch etwas haben wir gelernt: Viele neue spannende Wörter und Begriffe. Wissen Sie, was ein Ellipsoid ist? Oder ein gekröpfter Ringschlüssel? Ein Monti weiß es! Oder was sind ¨Kausalattribuierungsmuster¨? ¨Prognosevalidität¨? ¨Propriozeption¨? Kennen Sie die ¨inhaltlichen Sensibilitäten¨ eines Kindes?
Sie können diese ganzen Begriffe auch miteinander verbinden, das macht immer schwer Eindruck. Gehen Sie auf den nächsten Elternabend und fragen Sie mal nach den propriozeptiven Kausalattribuierungsmustern auf der Grundlage der Prognosevalidität der inhaltlichen Sensibilitäten Ihres eigenen Kindes. Was meinen se was da los ist!

Der Monti an sich macht ja auch aus jeder Tätigkeit eine Übung. Ja, ja einfach nur Schleife binden is nich mehr. Das ist jetzt eine Übung des täglichen Lebens! Sagen Sie ihrem Chef Guten Tag, ist das eine Übung des sozialen Lebens! Und jede Übung kann man auch weiterführen. Es geht nicht mehr nur darum eine Schleife zu binden, sondern das auch noch in größere Zusammenhänge einzubringen.
Anderes Beispiel. Hände waschen. Fängt im Kinderhaus an. Mit Schüssel, Wasser, Krug und Seife. Die Weiterführung wäre jetzt ... im Freibad: Seife ins Becken werfen, danach tauchen... dort auch wieder Übung des sozialen Lebens: dem Bademeister erklären, was man da so macht...
Wir mussten auch selber Übungen erstellen. Gar nicht so einfach. Immer wiederholen. Jeden kleinen Schritt aufschreiben. Kirschen entkernen, immer wieder. Und immer gleich. Da gibt es ganz klare Vorschriften!

Eine Dozentin hat gesagt, ihr Mann hat behauptet, die Montessori-Leute sind eine Ansammlung von Zwangscharakteren. Was soll ich Ihnen sagen: der gute Mann hat recht!
Kirschen entkernen, dauernd Kirschen entkernen. Einige hatten richtig Bauchweh, weil die ganzen Kirschen muss man ja auch essen. Wohin sonst damit. Alles wiederholen, was meinen Sie wie das anstrengend ist.
Oder - wissen Sie, wie viel Arbeitsgänge das Herstellen und Verzehren eines Caipirinhas in Anspruch nimmt? Einige von uns wissen es jetzt - sofern sie sich noch am nächsten Morgen daran erinnern konnten. Da bekommt der Begriff "absorbierender Geist" eine völlig neue Dimension!

Es gab noch eine Besonderheit, das muss jetzt auch einmal gesagt werden. In unserem Kurs herrschte nicht nur ein leichter Frauenüberschuß, sondern es waren und sind auch viele schwangere Frauen dabei - und das bei nur zwei Männern! Und viele haben die Kinder dann ja auch noch gekriegt. Also nicht an unseren Abenden, nein! Auch wenn einige wirklich bis zum letzten Moment im Kurs gesessen haben.
Jaaa, wir hatten uns schon eine 3-Stufen-Lektion für die Geburt überlegt!
Aber all die kleinen Imans, Jenriks, Bens, Sveas, Leonies... - die sind ja dann auch immer mitgekommen - lauter psychische und geistige Embryos im Kurs.
Aber - es war gut, dass sie da waren!!! Die lenkten gut ab, wenn's langweilig war!! Bei den Theorie-Samstagen zum Beispiel! Leonie - ist die heute Abend im Saal?
Was haben wir uns manchmal um dieses Kind gestritten, es uns gegenseitig aus den Armen gerissen - konnte man immer sagen: Ich kann jetzt nicht, ich kann nicht zuhören, ich muss mich um das Kind kümmern...

Ja war schon schön...
Dann kam wohl noch die Prüfung. Urängste kamen in uns wieder hoch. Jutta Starmanns hat immer versucht uns zu beruhigen.
Die hat immer gesagt: "Wir prüfen nur, was ihr wisst!" Und wir haben nur gedacht: Woher wissen die, was wir wissen! Wir haben in der Prüfung festgestellt, sie haben sich nicht immer dran gehalten! Geht ja auch gar nicht.
Schon Tucholsky sprach von der allmählichen Verfestigung der Gedanken beim Reden. Das heißt: Woher soll ich wissen, was ich denke, bevor ich höre was ich sage! Ja gut, heute abends sind wir alle hier. Wir werden losgelassen auf die Montessori-Einrichtungen, wir sind nun endlich die wärmende Flamme für das Kind, die wir seit zwei Jahren sein wollten.
Was die Kinder davon halten, dass wird sich erst noch raustellen.


Guten Abend !

[mit freundlicher Genehmigung von Herrn Guido Busch ]